Neues von der alten Bad Vilbeler FR-Redaktion
„Wir hatten eine gute Zeit“
Die langjährige Wetterauer FR-Redakteurin erinnert sich an ihren alten Arbeitsplatz, die FR-Redaktion in Bad Vilbel, und an die Redaktion in Friedberg, in der sie zeitweise tätig war. Sie erzählt von einer Zeit, „als Zeitung machen nicht nur Arbeit / Broterwerb war“.
Neues von der alten Bad Vilbeler FR-Redaktion
Juliane Kuglin: „Schöne Geschichten gibt es allemal über den direkten Kontakt zu unseren Leserinnen und Lesern – das gab es ja wirklich einmal!!! Wir brauchten keinen Bronski: Unsere Abonnenten standen bei uns am Schreibtisch und redeten Klartext.
Eine Erfindung von Klaus Nissen war das Sommerloch. Wir standen dazu, veröffentlichten ein Loch in der Seite und ließen es von den Leserinnen und Lesern zuschreiben oder zumalen. Zeitung machen kann auch Spaß machen….“ weiter lesen
Neue Mitte in Bad Vilbel lockt Falschparker
Anwohner nimmt’s mit grimmigem Humor
Die Neue Mitte von Bad Vilbel mit ihren vielen neuen Läden – und ihre Folgen für den Hausbesitzer direkt gegenüber, Frankfurter Straße 65. Er versucht’s mit grimmigem Humor. Es mag ja nicht jeder Autofahrer die neue Tiefgarage unter der Neuen Mitte benutzen… (Text und Foto: Juliane Kuglin). Die Neue Mitte in Bad Vilbel lockt Falschparker.
Flott auf die Autobahn

Schnipp-Schnapp auf der neuen Kreisstraße 11: Landrat Joachim Arnold (in der roten Jacke), rechts daneben Rosbachs Bürgermeister Thomas Alber (Bild: Wetteraukreis)
Neue Strecke von Wöllstadt an Rosbach vorbei eröffnet – mit Stauprognose für Ober-Wöllstadt
Freie Fahrt gibt es ab Mittwochmorgen für alle, die aus der mittleren Wetterau auf die Autobahn streben. Die Kreisstraße 11 von Ober-Wöllstadt führt nun südlich um Nieder-Rosbach herum und mündet an der Autobahn-Abfahrt Friedberg auf die Bundesstraße 455. Rund zehn Millionen Euro investierten das Land, der Kreis und die Stadt Rosbach in das 3,4 Kilometer lange neue Straßenstück. Von Ober-Wöllstadt aus kann man nun in fünf Minuten zur Autobahn gelangen – und umgekehrt. Diese Strecke werden bald die vielen Pendler aus Florstadt, Ossenheim, Friedberg. Niddatal und der Reichelsheimer Gegend entdecken, die sich bislang täglich auf der notorisch überlasteten B455 von Friedberg zur Autobahn in Richtung Frankfurt quälen.
Alles ganz prima, verlautbart Landrat Joachim Arnold: Die Südumgehung befreie die rund 2500 Nieder-Rosbacher vom Lärm der durchfahrenden Autos. Außerdem erschließe die neue Straße bis zu 14 Hektar für Läden und Hallen am Rande des Rosbacher Gewerbegebietes.
Flott auf die Autobahn – doch in Ober-Wöllstadt sind Staus programmiert
Es gibt nur einen Schönheitsfehler, den Arnold verschweigt: Die neue Ost-West-Verkehrsachse endet mitten in Ober-Wöllstadt. Pendlerautos und Lastzüge müssen sich dann durch die enge Ortsdurchfahrt schlängeln, um schließlich über Friedberg-Süd nach Osten zu gelangen. Im Zentrum von Ober-Wöllstadt wird es also laut und gefährlich bleiben. Staus in der Ortsmitte sind vorprogrammiert.
Den 2600 Einwohnern ist das noch nicht klar. Sie hoffen, dass ihnen ab 2016 die neue Bundesstraße 3 Ruhe bringt. Das ist aber nicht zu erwarten. Denn die rund 30 Millionen Euro teure Nord-Süd-Verkehrsachse wird östlich um Ober-Wöllstadt herum gebaut und hat somit keinen direkten Anschluss an die Kreisstraße 11. Den von der Autobahn kommenden Durchgangsverkehr hätte sie nur dann aufnehmen können, wenn die B3a westlich um Ober-Wöllstadt herum geführt würde. Das ist aber nicht geplant. Seit 40 Jahren hatte man über die Notwendigkeit von Umgehungsstraßen diskutiert. Nicht lange genug, um auf die einfachste und sinnvollste Lösung zu kommen.
Pflegestätte der nationalsozialistischen Revolution
Der unrühmliche Teil der Geschichte der Technischen Hochschule in Friedberg
Von Bruno Rieb
Der von den Nazis verfolgte Dozent des Friedberger Polytechnikums Wilhelm Friedmann soll eine späte Würdigung erfahren, indem eine Straße nach ihm benannt wird. Das fordern Thomas Petrasch und Klaus-Dieter Rack. Die beiden haben die Geschichte der Technischen Hochschule in Friedberg geschrieben und dabei besonders deren Rolle während des Faschismus erforscht.
Friedmann war ein renommierter und beliebter Dozent am Polytechnikum. Er stammte aus Wien und hatte über die über die Holzwarth-Gasturbine für Koksofengas promoviert. 1920 war er vom jüdischen Glauben per Taufe zum evangelischen Glauben übergetreten. Am 1. Oktober 1920 trat er die Stelle des Ingenieur-Mathematikers am Polytechnikum in Friedberg an. Seine Lehrtätigkeit erweiterte sich in den folgenden Jahren. Neben Mathematik unterrichtete er in seinem Spezialgebiet Maschinenbau. Er unterwies die Studierenden auch in Mechanik und zeigte ihnen die Funktion von Verbrennungsmaschinen. „Bei der Studentenschaft war Dr. Friedmann sehr angesehen, vor allem wegen seiner Fachkompetenz. Dies betonten noch Ende April 1933 nationalsozialistische Mitglieder der Studentenschaft gegenüber Bürgermeister Dr. Seyd“, berichten Rack und Petrasch.
Polytechnikum Direktor Wilhelm Schäfer hatte Bürgermeister Ludwig Seyd am 31.3.1933 telefonisch darüber informiert, dass die NSDAP-Kreisleitung die Entlassung Friedmanns gefordert habe. Seyd und Schäfer setzten sich zunächst für Friedmann ein. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ schuf die NS-Regierung die Grundlage, „Nichtarier“ und politisch Missliebige ohne Begründung aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Fast unmittelbar nach Bekanntwerden des Gesetzes teilt Schäfer dem Bürgermeister mit, dass Friedmann nun zu entlassen sei. Am 18.9.1933 wurde der Dozent auf der Grundlage des neuen Gesetzes mit Wirkung zum 1.1.1934 wegen nichtarischer Abstammung vorzeitig und zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Ein Ruhegehalt wurde ihm nur bis zum 1.4.1935 gewährt. Friedmann ertrug diese Demütigung, Entwürdigung, Entrechtungen und Verfolgungen nicht: am 29.11.1936 setzte der einst so angesehene Dozent des Polytechnikums in Frankfurt seinem Leben ein Ende. Er war nur 49 Jahre alt geworden.
Seiner Witwe wurden 1951 Versorgungsbezüge zugesprochen, unter der fiktiven Annahme, dass Friedmann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Dienst gestanden hätte. „Es war allerdings nur ein bescheidener Ausgleich für das erlittene Unrecht, das ihrem Mann und auch ihr durch die Nationalsozialisten zugefügt wurde und das Dr. Wilhelm Friedmann 1936 in den Freitod getrieben hatte“, so Rack und Petrasch.
Nazis bei der Einweihungsfeier des Hörsaalgebäudes im Juni 1937. (Stadtarchiv Friedberg)
Das Schicksal Friedmanns belegt, dass das Polytechnikum keine Insel in der braunen Flut war, wie es Rack formuliert. Die Nazis waren an der Hochschule schon früh erfolgreich. Kaum hatten sich die Macht ergriffen, wurde das Polytechnikum nach Adolf Hitler benannt. Die Umbenennung wurde am 22. Juni 1933 im voll besetzten großen Hörsaal vollzogen. Das Polytechnikum dürfe „mit Fug und Recht als eine Pflegestätte der nationalsozialistischen Revolution angesehen werden“, schwärmte Friedbergs Bürgermeister Seyd.
1929 war eine Hochschulgruppe des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes gegründet worden. Bei der Wahl zum Allgemeinen Studentenausschuss im Juli 1930 erreichte er 25 Prozent der Sitze. In der Reichspogromnacht im November 1938, als im ganzen Land jüdische Gotteshäuser in Flammen aufgingen, jüdische Geschäfte geplündert und die Wohnungen von Juden demoliert wurden, zogen auch Studenten des Hitler-Polytechnikums mit dem Mob durch Friedberg und verwüsteten Wohnungen. Der Friedberger Historiker Hans-Helmut Hoos behauptet laut Petrasch, dass es Studenten des Polytechnikums gewesen seien, die die Synagoge angezündet haben. Das lasse sich aber nicht belegen, betont Petrasch. Trotz intensiver Recherchen habe er keine Beweise dafür gefunden. Petrasch: „In den Protokollen der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchgeführten Untersuchungen werden Studierende als Brandstifter nicht erwähnt. Nicht belegbare Behauptungen sind unwissenschaftlich und müssen widersprochen werden.“
Petrasch ist Diplom-Ingenieur und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Hochschule Mittelhessen. Klaus-Dieter Rack ist kommissarischer Leiter des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt und gehört der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen an. Ihre Geschichte der Fachhochschule ist im außerschulischen Exil erschienen: beim Friedberger Geschichtsverein als Band 62 der Wetterauer Geschichtsblätter. Der Geschichtsverein hat sich vielfach um die Erforschung der Nazizeit in der Wetterauer Kreisstadt verdient gemacht. Die Hochschule hatte abgewunken. Wir schauen in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit, habe die Hochschulleitung gesagt, berichtet Petrasch.
Thomas Petrasch, Klaus-Dieter Rack: Von der Gewerbe-Akademie zur Technischen Hochschule – Friedberger Hochschulhistorie (1901-2011), Wetterauer Geschichtsblätter, Band 62, 206 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-87076-115-8, 19,80 Euro.
Dieter Thomas nimmt Abschied von der Bühne
Eine „Weihnachts (D)App“ von schnoddriger Schnauze
Der Kabarettist Dieter Thomas nimmt am Samstag im Butzbacher „Capitol“ Abschied von der Bühne
Von Corinna Willführ
Mehr als 30 Jahre übte er mit „schnoddriger Schnauze“ und unverkennbar hessischen Idiom Kritik an Gott und der Welt: Nun hat Dieter Thomas „die Schnauze voll“, sich „zum 150. Mal mit all den Comic-Figuren auseinanderzusetzen, die sich tag-täglich dabei widersprechen, wenn sie die Welt kommentieren oder interpretieren.“ Am Samstag, 7. Dezember, tritt der Kabarettist endgültig von der Bühne ab. Im Butzbacher Kino „Capitol“ in der Roßbrunnenstraße 3 zeigt er ein letztes Mal sein Programm „Die „Weihnachts(D)App“.
Zwei, die seit 20 Jahren das Faible für Kabarett teilen: Dieter Thomas und Rita Herth.
Dieter Thomas: Genau, das ist der Mann der noch heute im Alter von – man weiß es nicht genau – die Haare länger trägt und noch immer einen Schnauzer hat, der einem Soloprogramm schon in 2006 den Titel „Der Seniorenhippie“ gab. Das ist der Mann, der von 1974 bis 1981 Mitglied im legendären Karl Napp’s Chaos Theater war und der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hendrike von Sydow und dem unvergessenen Matthias Beltz 1982 das „Vorläufige Frankfurter Fronttheater“ gründete. Es war die Zeit der Proteste gegen die Startbahn West am Frankfurter Flughafen. Mit ihrem ersten Programm „Freak und Frieden“ zog das Trio als „sich und andere nie ernst zunehmende Dreierspitze durch die Republik“, machte auf viele Missstände aufmerksam – und die Medien auch auf sich: Dieter Thomas bekam eine eigene Fernsehsendung „Zu Gast im Fronttheater“. Er war in Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“ zu sehen und als „Dieter und Hendrike“ im TV. Oft dabei, „Freddie“, ihr Hund.
Dieter Thomas nimmt Abschied von der Bühne
„Was ich an ihm am meisten schätze?“. Rita Herth zögert keinen Augenblick. „Dass er authentisch ist. Dass er aus dem Bauch raus redet und dass sich jeder mit dem, was er sagt identifizieren kann.“ Als Kulturamtsleiterin der Stadt Butzbach holte Rita Herth 1994 Dieter Thomas und Hendrike von Sydow zum ersten Mal auf die Bühne des Bürgerhauses der Schrenzerstadt. Viele weitere Auftritte folgten. „Dass Dieter seinen Abschied von der Bühne gerade in Butzbach gibt, das freut mich sehr.“ Mit ihr sicher alle, die schon eine Karte haben oder noch eine der Restkarten ergattern für die „letzte Runde“ von Dieter Thomas und die wissen wollen „wie man sich vor der täglichen Dosis Horrormeldungen aus den Medien schützt und Schlechtschwätzern etwas entgegenhalten kann.“ Eben mit seiner „Weihnachts(D)App“.
Karten zum Preis von 17.50 Euro (ermäßigt 15,50 Euro) gibt es täglich zu den Öffnungszeiten an der Kinokasse des „Capitol“ oder über live-in-butzbach.de
Die Scheiben vibrieren
Trotz Beschwerden gibt es kein Tempolimit in Ober-Mockstadts Ortsdurchfahrt
Ranstadt. „Wer hier über die Straße will, muss schnell sein. Sicherheitshalber drei- oder viermal in beide Richtungen gucken und dann rennen.“ Rainer Michel wundert sich, dass in der 600 Meter langen Ortsdurchfahrt von Ober-Mockstadt noch niemand totgefahren wurde. Die Bundesstraße 275 ist
acht Meter breit und leicht abschüssig. Es komme durchaus vor, dass eilige Autofahrer mit Tempo 80 bis 100 unterwegs sind. Morgens ab halb vier rolle die Karawane zur Frühschicht nach Frankfurt, sagt Ladenbesitzer Michel, der an der Friedberger Straße Zeitungen, Zigaretten und Lebensmittel verkauft. „Wenn die Lastwagen an der Steigung zurückschalten, vibrieren bei mir die Fenster.“ Zur Verkehrsberuhigung hätte man seiner Meinung nach bei der Straßen-Erneuerung vor etwa fünf Jahren einen Fahrbahnteiler in der Ortsdurchfahrt installieren müssen. Das ist aber nicht passiert.
In den letzten zehn Jahren habe der Durchgangsverkehr stark zugenommen, findet der Anwohner. Es sind nach Schätzung der Polizei etwa zehntausend Autos pro Tag. Die meisten der 825 Einwohner nehmen das hin. Auch Rainer Michel ruft nicht zur Gründung einer Bürgerinitiative auf.
Vehementer protestiert dagegen Karin Meub, die schräg gegenüber in einer alten Hofreite wohnt. Die Breite und Übersichtlichkeit der Straße verleite die Fahrer zu hohem Tempo, so die Ober-Mockstädterin. Just als sie dieses sagt, donnert ein Lastwagen ungebremst nur wenige Zentimeter an einem haltenden Bus der Linie 4 vorbei. Dass Passagiere hinter ihm hervortreten könnten, kam dem Fahrer wohl nicht in den Sinn. „Es kommt echt Freude auf“, ergänzt die Anwohnerin, „wenn in der Rechtskurve Richtung Nidda Autos auf die Gegenfahrbahn geraten, weil sie zu schnell sind.“ Das habe sie schon mehrfach gesehen.
Immer wieder beschwert sich Karin Meub im Ranstädter Rathaus über den Verkehr. Sie fordert Tempo 30 und häufigere Geschwindigkeitsmessungen in der Ortsmitte. Doch die Gemeinde habe „ganz offensichtlich kein Interesse, etwas gegen das hohe Verkehrsaufkommen zu unternehmen“, so Meub.
Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel widerspricht: „Wir brauchen Tempo 30 und markierte Parkbuchten auf der Straße“, sagt die SPD-Politikerin. „Aber das wurde in den Verkehrsschauen immer wieder abgelehnt.“ Die Ober-Mockstädter Ortsdurchfahrt sei nun mal eine Bundesstraße, da habe die Gemeinde wenig zu melden. Und häufigere Tempomessungen würden das Problem nicht lösen, meint Reichert-Dietzel. Im übrigen sei die Verkehrslage auf der Bundesstraße 457 in Ranstadts Ortsmitte mindestens genauso schlimm. Vor der Apotheke müsse dringend eine Fußgänger-Ampel installiert werden. Aber das lehne die Verkehrsbehörde des Kreises ab.
„Auf Bundesstraßen muss der Verkehr auch fließen können“, sagt Kreis-Sprecher Michael Elsaß im Namen der Verkehrswächter. In Ober-Mockstadt seien die Bedingungen für eine Tempo-30-Zone nicht gegeben. In dem kleinen Ort „laufen auch nicht gerade die Massen an Fußgängern.“ Trotzdem würde man den Bau einer zweiten „Querungshilfe“ für Fußgänger prüfen, falls die Gemeinde sie beantrage.
In diesem Jahr habe es nur vier Unfälle in der Ortsdurchfahrt gegeben, so Polizeisprecher Jörg Reinemer auf Anfrage. 2012 waren es noch weniger. Gefährlicher sei die Situation im benachbarten Nieder-Mockstadt. Deshalb wurden die Engstellen dort zur Tempo-30 Zone erklärt.
Fazit: Auch in Zukunft werden die Autofahrer flott durch Ober-Mockstadt kommen. Gelegentlich mahnt sie ein mobiles Blitzgerät, nicht schneller als fünfzig zu fahren. Ein stationäres Blitzgerät oder eine Ampel, die bei erhöhtem Tempo auf Rot schaltet, sind nicht geplant. Er habe in Berlin eine Umgehungsstraße für Ober-Mockstadt beantragt, meldete im Oktober der hessische Noch-Verkehrsminister Florian Rentsch (FDP). Doch nicht einmal der Anwohner Rainer Michel macht sich Hoffnung, dass die Umgehung noch zu seinen Lebzeiten gebaut wird. Zum einen müsste sie durch die wertvollen Biotope an der Nidda verlaufen. Zum anderen wäre es viel wichtiger, zuerst Umfahrungen für Ortenberg-Selters und Büdingen-Büches zu bauen. Denn da seien die Ortsdurchfahrten noch gefährlicher und enger als in Ober-Mockstadt.
Ausstellung „Aufbruch in die Utopie“
In Gießen wird die Auswanderung nach Amerika dargestellt
von Ursula Wöll
„Es gab Gefühlsausbrüche, wenn der letzte, schmerzvolle Augenblick gekommen war und Europas Küste als schmaler, blauer Nebelstreif ins Meer sank“, so erinnert ein Amerikafahrer des 19. Jahrhunderts die Situation an Bord seines Dreimaster-Seglers. Spätestens dann, wenn das Festland endgültig verschwand, wurde den Auswanderern die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst, weil sie unumkehrbar geworden war. Die Nerven lagen eh schon blank: der Abschied von Verwandten und Bekannten, von den Gräbern der Angehörigen, von den Farben, Tönen und Gerüchen der Heimat, dann die wochenlange Fahrt mit dem Wagen zur Küste, der erste Blick der Landbewohner auf die Wasserwüste, die qualvolle Enge im Zwischendeck, die Angst vor Stürmen und die Seekrankheit: Ähnliches müssen die Bootsflüchtlinge von heute empfinden, wenn sie sich in der Hoffnung auf ein besseres oder angstfreies Leben aufs Mittelmeer wagen. Nur dass ihre Situation noch prekärer ist, da sie im Gegensatz zu den historischen Auswanderinnen und Auswanderern nicht willkommen sind. Die Giessener Ausstellung „Aufbruch in die Utopie“ behandelt also ein historisches, aber hochaktuelles Thema.
Das sehr Interessierte Publikum bei der der Eröffnung der Ausstellen
Sieben Millionen gingen nach Amerika
Allein von 1815 bis 1914 wanderten 7 Millionen Deutsche nach Amerika aus, im Spitzenjahr 1854 waren es 230400. Schiere Not oder Angst vor Verfolgung trieb sie übers Meer. Heute nun fliehen Menschen vor Krieg, Armut und Verfolgung zu uns. Es erstaunt, dass das historische Drama unserer Vorfahren verdrängt wird und keinen Einfluss auf den Umgang mit den Asylsuchenden hat. Schon vor Jahren bildete sich daher eine überregionale Gruppe, um an die Parallelen zu erinnern und mehr Offenheit gegenüber den ImmigrantInnen unserer Tage zu erreichen. Etliche Mitglieder dieser „Reisenden Sommer-Republik“ kommen aus Giessen, wie der Leiter des Stadtarchivs Dr. Ludwig Brake und die Professorin. Rita Rohrbach. So ergab es sich, dass sich die Gruppe schließlich auf die „Giessener Auswanderergesellschaft“ konzentrierte, die 1834 weniger vor dem Hunger als vor der politischen Unterdrückung floh. Der Jurist Paul Follenius aus Giessen und der Pfarrer Friedrich Münch aus Niedergemünden konnten 500 Menschen für die Emigration begeistern, um in Amerika eine freie und demokratische Musterrepublik zu gründen. Diese sollte durch ihr positives Beispiel auch dazu beitragen, die feudalen Verhältnisse in der alten Heimat zum Tanzen zu bringen.

Es gibt viel zu sehen
Archive durchforstet
Die Mitglieder der Reisenden Sommer-Republik durchforsteten Archive und besuchten die Orte, die diese 500 Menschen vor so langer Zeit passiert hatten, um eine Utopie zu verwirklichen. Sie waren erstaunt über die vielen Spuren in Briefen und Tagebüchern, aber auch vor Ort in Missouri, wo die Überlebenden nach einer monatelangen strapaziòsen Odyssee sesshaft wurden und wo sie ihren Traum begraben mussten. Das Resultat dieser Zeitreise in die Vergangenheit? Ein reich bebildertes, gut lesbares Buch mit dem Titel ‚Aufbruch in die Utopie‘, das erstmals die Giessener Auswanderergesellschaft genau erforscht sowie generell über die historischen Auswandererstròme und deren Ursachen informiert. Außerdem eine großartige Ausstellung, die auf die Situation in den deutschen Kleinstaaten und die Schwierigkeiten in der Neuen Welt eingeht, aber auch die Recherchen der Reisenden Sommer-Republik einbezieht. Keine Angst, es ist nicht eine der etwas drögen Tafelausstellungen geworden. Die BesucherInnen werden einbezogen, dürfen mit Statements über die heutige Gesellschaft und eigene Utopien das Ganze komplettieren. Zwischen Großfotos an den Wänden sind Videos und, Akten auf groben Holzkisten arrangiert, es gibt viele Sitzgelegenheiten und gezimmerte Schreibtische für die Besucher.

Friedrich Münch war einer der Auswanderer
Auch in Bremen und St. Louis zu sehen
Die Ausstellung wird nach Giessen in Bremen und St. Louis gezeigt. Das war auch der Weg, den die 500 AuswandererInnen 1834 nahmen. Die eine Hälfte mit Paul Follenius traf in New Orleans ein, um dann auf einem Raddampfer den Mississippi hinaufzufahren. Durch die Cholera verlor sie dabei 40 Leute. Die zweite Hälfte mit Friedrich Münch fand kein Schiff in Bremerhaven und musste unter erbärmlichen Bedingungen 5 Wochen auf der Weserinsel ‚Harriersand‘ ausharren, bis sie auf der ‚Medora‘ nach Baltimore segeln konnte. Von da ging die Reise zu Land und Wasser nach Missouri, wobei Münch seinen jüngsten Sohn verlor. Da man den Kauf von Sklaven ablehnte und das Farmland eigenhändig beackerte, lagen die utopischen Ziele bald brach, zumal die Lebensbedingungen noch schwieriger als erwartet waren.. Die Giessener Auswanderergesellschaft löste sich auf, nur wenige, unter ihnen Münch, vergaßen ihren Traum von Gleichheit und Freiheit nicht. Sie agitierten gegen die Sklaverei und die Verachtung der indianischen Urbevölkerung, sie ließen sich in politische Gremien wählen, um ihre neue Heimat mitzugestalten. Damit erreichten sie Gesetze, die Sklavenhaltung in Missouri verboten. Ist ihre Utopie also wirklich gescheitert oder hat sich die Mühsal am Ende doch gelohnt?
aufbruch-in-die-utopie.net
Ausstellung ‚Aufbruch in die Utopie‘ bis 29.12. im ‚Kultur im Zentrum KIZ‘ (Kongresshalle), Giessen, Südanlage 3a, zweisprachig, Eintritt frei
Buch ‚Aufbruch in die Utopie‘, zweisprachig, 350 Seiten, zahlr. Abbild.,, Edition Falkenberg,ISBN 978-3-95494-595-5, 19,90 Euro
Geld für ehemalige FR-Beschäftigte
SPD-Medienholding DDVG greift in die Tasche
Die SPD-Medienholding DDVG wird den Sozialplan für die Beschäftigten des insolventen Frankfurter Runschau mit einer Millionen Euro vorfinanzieren, berichtet die Berliner Tageszeitung (taz) in ihrer heutigen (21.11. 2013) Ausgabe. Rund 360 Beschäftigte hatten durch die Inslovenz ihren Job verloren. Hauptgesellschafter des Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main GmbH, das die FR herausgegeben hatte, war neben der DDVG die Mediengruppe DuMont Schauberg. DuMont Schauberg habe es abgelehnt, sich an der Vorfinazierung zu beteiligen. Die DDVG gewährleiste durch ihre Vorfinanzierung, dass ein Viertel der Sozialplanleistungen ausgezahlt werden könne. Nicht betroffen von dieser Regelung seien die ehemaligen FR-Beschäftigten, die bereits vor der Insolvenz einen Auflösungsvertrag unterschrieben hatten und noch immer auf ihre Abfindung warten.
FR-Beschäftigte hatten die Vorfinanzierung vehement gefordert, wie dieser Film zeigt
Römische Kaserne mit Gemeinschaftsklo
Ausgräber finden in Friedberg Scherben, Münzen, Murmeln und einen rätselhaften Graben
Das Loch an der Kaiserstraße ist so groß wie ein Fußballfeld. Wo bald der Elvis-Presley-Platz entstehen soll, wühlten seit März bis zum 15. November Archäologen im Untergrund. Sie legten ein Gewirr aus Mauern, Treppen und Leitungen frei: „Wir haben mehr als 500 Strukturen aus der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert gefunden“, sagte Grabungsleiter Roland König zum Schluss der Ausgrabungssaison. Viele Schubladen voller Scherben, knapp 40 verrostete Münzen und zahlreiche Glasmurmeln, die die Kinder in den letzten 1800 Jahren beim Klickern in den Ritzen des Straßenpflasters verloren haben.
Der merkwürdigste Fund ist ein mächtiger Graben aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Er verläuft mindestens 70 Meter weit schräg parallel zur Kaiserstraße, die im ersten Jahrhundert von den Römern gebaut wurde. „Der Graben ist zweieinhalb Meter tief und fast drei Meter breit“, berichtet Archäologe König. „Er hatte steile Wände und ist aufwendig gebaut worden. Wir haben keine Ahnung, wozu er diente.“ In Höhe der Fußgängerampel vor der Schillerlinde verschwindet der Graben unter der Kaiserstraße.
Drei Meter davon entfernt, vor dem Eingang zum Blumenhaus Koch, stießen die Ausgräber auf ein Viereck mit pechschwarzer Erde. „Das war die römische Gemeinschaftslatrine“, behauptet König. Ein Kanal führte vom sicherlich einst mächtig stinkenden Loch nach Westen in Richtung Seewiese. Vermutlich stand ein Haus aus Holz oder Stein über dem Gemeinschaftsklo – nur etwa zehn Meter vom heutigen Café Rund entfernt. So ist ausgerechnet dieses unscheinbare Toilettenhaus das Gebäude, das in Friedberg die längste Tradition von allen hat. Sie reicht etwa 1800 Jahre zurück.
Römische Kaserne mit Gemeinschaftsklo
Eine zweite römische Latrine fanden Roland König und seine Grabungshelfer nur wenige Meter südlich in Höhe der Metzgerei Engel. Vielleicht gehörte sie zur Sanitärbaracke der ersten römischen Kaserne Friedbergs. Bisher hatte man die Unterkunft der syrischen Bogenschützen immer nur im Burggelände vermutet. In diesem Sommer aber entdeckten die Archäologen viel weiter südlich in Höhe der Haagstraße hellgraue Streifen im Lehm: die einst hölzernen Fundamente großer Gebäude. Ihre Ausmaße könnten denen von anderswo gefunden Mannschaftsbauten entsprechen.
Ursprünglich bauten die Römer Holzhäuser in ihrer Friedberger Festung – im dritten Jahrhundert wuchsen dann Steingebäude. Alle 7,6 Meter sind ihre quer zur Kaiserstraße verlaufenden Mauerfundamente in diesem Sommer gefunden worden. Die Häuser standen also mit der Giebelseite zur Straße, so wie die heute noch an der Kaiserstraße residierenden Gebäude aus dem 14. bis 20. Jahrhundert. Doch um 260 nach Christus verließen die Römer Friedberg. Die Häuser verfielen. Im Mittelalter gab es an dieser Stelle einen Platz mit eher schäbigem Pflaster, das man heute noch an den Rändern der Grube sieht, knapp einen Meter unter dem modernen Basaltpflaster. Sogar die Wagenspuren sind darin noch erhalten. „Jeden einzelnen Pflasterstein haben wir mit der Kelle freigelegt“, berichtete Roland König. Man fand auch einen großen, gelben, konischen Sandstein mit einer Mulde. Vielleicht das Fundament eines großen Tor-Scharnieres? Daneben ein miteinander verbackener Steinhaufen. Das ist das Fundament des 1904 eingeweihten Kriegerdenkmals vor der heutigen Tchibo-Filiale. Im Zweiten Weltkrieg hatte man den großen Bronzeadler zum Kanonenbau eingeschmolzen, in den Fünfzigerjahren wurde das Denkmal ganz beseitigt.
Im Frühjahr 2014 geht die Grabung weiter. Dann wird die Gasse direkt vor den Geschäften aufgebuddelt, außerdem die Wolfengasse. Auch darunter werden sich Zeugnisse einer langen Geschichte finden.