Unerschrocken

Vorbildlich hilfsbereit

Die Bürgerhilfe Florstadt

 Von Bruno Rieb

Ob eine alte Dame Hilfe beim Einkaufen braucht, ein alter Herr nicht alleine zum Arzt gehen möchte oder ein Flüchtling beim Gang zur Behörde begleitet werden möchte – ein Anruf bei der Bürgerhilfe Florstadt genügt. Seit acht Jahren ist sie aktiv. Das Ehepaar Anneliese und Dieter Eckhardt organisieren die Hilfsbereitschaft – mit Hilfe eines ausgefeilten Computerprogramms.

Eckhardt

Anneliese und Dieter Eckhardt, beide 64 Jahre alt, in ihrem Büro.  (Foto: Bruno Rieb)

Seit Anfang Dezember 2013 kümmert sich die Bürgerhilfe um die zehn Flüchtlinge, die in der alten Schule in Nieder-Mockstadt Obdach gefunden haben. Das sei ein „Vollzeitjob“ sagt Anneliese Eckhardt. Vor allem die sechs aus Eritrea stammenden jungen Leute würden noch viel Unterstützung brauchen. Sie sprechen kein Wort Deutsch, nur zwei von ihnen verstehen etwas Englisch. Die Eckhardts begleiteten sie zur Stadtverwaltung, damit sie sich anmelden konnten, gingen mit ihnen zur Sparkasse, damit sie ein Konto eröffnen konnten, halfen ihnen beim Einkauf der nötigsten Lebensmittel im Supermarkt, „weil sie die Produkte hier noch nicht kennen“, und besorgten ihnen über den DRK-Kleiderladen in Friedberg Kleidung.

Einer der Eritreer hatte eine dicke Backe. Anneliese Eckhardt begleitete ihn zum Zahnarzt. Gleich zwei Zähne wurden ihm gezogen. Beim Apotheker musste dann noch ein Antibiotikum besorgt werden. Mit dem Sozialamt wurde die Übernahme der Behandlungs- und Arzneikosten geklärt.. Zahnarzt und Apotheker seien dabei sehr kooperativ gewesen, lobt Anneliese Eckhardt.

Nun suchen die Eckhardts weitere Helfer, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Sie würden stets so verfahren, dass sie sich selbst zunächst einen Überblick verschaffen, welche Aufgaben auf die Helfer zukommen, erklären die beiden. Sie suchen auch noch einen Projektleiter, der bei der Flüchtlingshilfe die Fäden in der Hand hält. Wer den Asylsuchenden helfen möchte, sollte etwas Englisch sprechen, empfehlen sie. Die Helfer sollten bereit sein, Fahrdienste zu übernehmen. Den Flüchtlingen müssten kurzfristige Sprachkurse angeboten werden, in denen ihnen Grundkenntnisse der Deutschen Sprache vermittelt werden, meint Dieter Eckhardt. Das sei ehrenamtlich aber nicht zu leisten.

Seit acht Jahren ist die Florstädter Bürgerhilfe nun aktiv. Sie hat so etwas wie eine Vorbildfunktion für ähnliche Hilfsorganisationen. Anneliese und Dieter Eckhardt haben schon etliche Wetterauer Kommunen besucht, um das Florstädter Projekt vorzustellen.

Aus der Lokalen Agenda 21 entstanden

Die Bürgerhilfe ist aus dem Arbeitskreis Wirtschaft und Sozials der Lokalen Agende hervorgegangen. Während der Seniorenweihnachtsfeier der Stadt 2005 wurden die ersten Flyer verteilt, mit denen sowohl Helfer als auch Hilfesuchende aufgefordert wurden, sich zu melden. Es sei damals noch eine reine Nachbarschaftshilfe gewesen, erinnert sich Dieter Eckhardt: Hilfe bei Einkäufen, Arztbesuchen, Behördengängen, Fahrdienste… Es habe eine Weile gedauert, „bis die ersten sich getraut haben, uns in Anspruch zu nehmen“. Scham und vielleicht auch Angst vor Betrügern seien eine Schwelle gewesen. Sehr wichtig sei deshalb die Unterstützung durch die Stadt. Die Sprechstunden der Bürgerhilfe sind im Rathaus und Mitarbeiter des Amtes dienen auch als Ansprechpartner. Bürgermeister Herbert Unger (SPD) stellt den Helfern offizielle Ausweise der Stadt aus. Die schaffen Vertrauen.

Bereits 2006 begann die Bürgerhilfe, eine Datenbank aufzubauen. Profile der Helfer werden in einem Computerprogramm erfasst. Dort ist festgehalten, wo sich die Helfer engagieren wollen, ob bei Behördengängen, Arztbesuchen, Kinderbetreuung, Fahrdiensten… Es wird auch festgehalten, was sie nicht übernehmen möchten, zu welchen Zeiten sie einsatzbereit sind und in welchem Stadtteil sie wohnen. Kommt ein Hilferuf, wird er in den Computer eingegeben und der spuckt sofort die in Frage kommenden Helfer aus. Ganz oben rangieren die, die aus dem Stadtteil kommen und bislang die wenigsten Einsätze hatten.

87 Helfer sind erfasst. Davon sind 47 aktiv, ein Teil macht aus beruflichen oder privaten Gründen pause, ein Teil ist in Urlaub. Seit 2006 hat es 1473 Hilfeersuchen gegeben, besagt die Statistik, die er gelernte IT-Ingenieur Eckhardt dem Computer entlockt. 1228 einmalige Anliegen waren darunter. Es gibt aber auch 229, die wöchentlich ausgeführt werden, „die müssen also jedes Jahr mit 52 multipliziert werden“, erläutert Dieter Eckhardt. Ganz oben steht mit 718 Fällen der Begleitung zum Arzt. Hier gehe es nicht um einen reinen Fahrdienst sondern darum, dass eine Vertrauensperson dabei ist, erklärt die gelernte Kauffrau Anneliese Eckhardt, die sich „schon immer sozial engagiert hat“, wie sie sagt.

Zur Nachbarschaftshilfe kam eine zweite Säule: die Freiwilligenagentur. Die stellt zum Beispiel Ausbildungspaten, die Schüler der Karl-Weigand-Schule beim Übergang von der Schule in den Beruf begleiten. 35 Mal sind Ausbildungspaten bislang im Einsatz gewesen, besagt die Statistik. Weitere Projekte der Freiwilligenagentur sind Vorlesen im Kindergarten und in der Betreuungsschule, die Zusammenarbeit mit der Friedberger Tafel, die Unterstützung der Selbsthilfegruppe der Parkinsonkranken und eben die Flüchtlingshilfe.

Weitere Helfer gesucht

Zehn Leute gehören zum engeren Organisationsteam der Bürgerhilfe. Das sind auch die Leute, die sich bei den Sprechstunden im Rathaus abwechseln. Drei- bis viermal im Jahr gibt es Helfertreffen mit Vorträgen zu aktuellen Themen. Beim jüngsten Treffen sprach der örtliche Apotheker über die Wechselwirkung von Medikamenten.

Wer als Helfer bei der Bürgerhilfe aktiv werden möchte – beispielsweise bei der Flüchtlingsbetreuung – kann sich montags bis freitags zwischen 8 und 12 Uhr im Florstädter Rathaus unter Telefon 06035/969944 melden. Im Büro der Bürgerhilfe im Zimmer 20 im Rathaus ist donnerstags von 16 bis 18 Uhr Sprechstunde.

2 Gedanken zu „Unerschrocken

  1. Ein sehr guter Bericht: sachlich, informativ und human. Kein Wort zuviel, kein aufgestülptes Gefühlsgedusel – und gerade deshalb gewinnt der Bericht an Tiefe und vermittelt den Eindruck: Diese Kommune lebt, hier existiert ein tatkräftiger, sozialer Zusammenhalt. Danke für den Bericht.
    Ilo

  2. Danke dem Autor für diesen Bericht und ein noch viel größeres Dankeschön, Anneliese und Dieter Eckhardt für ihren tollen Einsatz für Menschen, die unsere Hilfe bitter nötig haben.

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