Tschechow und Synge an einem Abend auf einer Bühne

„Die Nacht vor der Verhandlung“ sowie „Die Nebelschlucht“

Die Spielbühne Wehrheim/Theatergruppe Friedrichsdorf bringt Tschechow und Synge an einem Abend auf einer Bühne. ‚The Shadows of the Glen’, ein Zusammenschluss von mehr als zwei Dutzend Irland-geprägter Musiker, wirken mit.

Auf den ersten Blick mag es befremdlich erscheinen, die beiden Theaterdichter Anton Tschechow und John Millington Synge in einem Aufführungsabend zu vereinen. Zwei Große ihres Handwerks, die weit voneinander entfernt gelebt und geschrieben haben. Und doch: Zeitgenossenschaft eint sie, zwei Lebensläufe die vom ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert geprägt sind. Beide haben unter den gesellschaftlich Ärmsten, den Bauern, gelebt, beide haben sich für politische Veränderungen eingesetzt, beide sind dichtend berühmt geworden.

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Die Einakter„Die Nacht vor der Verhandlung“ sowie „Die Nebelschlucht“ – von Akteuren der Spielbühne Wehrheim/Theatergruppe Friedrichsdorf zur Darstellung gebracht – leben ganz aus dem Wort. Sowohl Synge als auch Tschechow haben aufgespürt, was jenseits des sprachlichen Alltags wächst. Es ist eine kaum ausdeutbare Welt von Wünschen, Täuschungen, jähen Erkenntnissen.

„Die Nacht vor der Verhandlung“ ist ein frühes Stück des russischen Dramatikers, unvollendet, einer gleichnamigen Erzählung nachgebildet. Tschechow schafft ohne Umwege eine Situation, die Komik und Tragik in sich birgt. Schon in diesem frühen Fragment ist er ganz bei sich: Menschen, die sich wie nebenbei selbst entlarven, aus stolzer Höhe in die Lächerlichkeit stürzen, um Würde ringen.

Eine Darstellerriege spielt sich mit Bravour hinein in die russische Poststation: Laura Flügel, Kevin Velte, Peter Fischer und Rainer Henrici.

„Die Nebelschlucht“ wurde vor 110 Jahren uraufgeführt und gilt als erste Arbeit von John M. Synge. Was hier humoristisch aufgeladen erscheint, ist grundiert von harter Realität. Wie bei dem russischen Kollegen ist auch hier spürbar, was ein Kritiker mit „Brisanz der gesellschaftlichen Dynamik“ umschrieb. Auf beispiellose Weise verknüpft der irische Schriftsteller erlebte Wirklichkeit mit phantastischer Volksüberlieferung. Selten sind Theaterstücke so reich an Bildkraft und vorchristlicher Symbolik. In seinem Vorwort zum „Held der westlichen Welt“ heißt es: „Als ich vor einigen Jahren ‚The Shadow of the Glen’ schrieb, bekam ich mehr Hilfe, als jedwede Gelehrsamkeit mir hätte gewähren können, durch den Spalt im Fußboden eines alten Hauses in Wicklow, in dem ich wohnte, der mich hören ließ, wovon sich die Dienstmädchen in der Küche unterhielten“.

Neben Anette Quentel als Nora Burke spielen in der „Nebelschlucht“ die sturmerprobten Synge-Darsteller Frank Hammen, Markus Rühl und Olaf Velte.

Mitreißend gestaltet wird der Abend von ‚The Shadows of the Glen’, einem Zusammenschluss von mehr als zwei Dutzend Irland-geprägter Musiker. Unter der Leitung von Gerd Lübke wird die Totenfeier auf den einsamen Hügeln zu einem Fest des Lebens.

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Anton Tschechow (1860 bis 1904) und John Millington Synge (1871 bis 1909) sind jung gestorben. Der Ire verließ die Welt mit 38 Jahren, sein russischer Dichterkollege wurde sechs Jahre älter.

Aufführungsdaten:

26. 10. Forum Friedrichsdorf / Köppern; 20 Uhr
2.11. Freilichtmuseum Hessenpark, Scheune Oberweser; 20 Uhr
3.11. Freilichtmuseum Hessenpark, Scheune Oberweser; 18 Uhr
23.11. Bürgerhaus Wehrheim; 20 Uhr

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