Der Viertopfzerknalltreibling, vasistas und anderen Merkwürdigkeiten
Über Kuriositäten der deutschen Sprache und deutsche Wörter, die in andere Sprachen eingeflossen sind, sprach Edmund Wild in der Wetzlarer Phantastischen Bibliothek.
Kuriositäten der Sprache
„Wesio kneönn Sie deesin Staz lseen?“ Wieso man diesen Satz lesen kann, hängt mit der Blickspanne zusammen, erläuterte der Lehrer im Ruhestand Edmund Wild in einem Vortrag in der Wetzlarer Phantastischen Bibliothek. Wie der in Krofdorf-Gleiberg wohnende Pädagoge erklärte, bedeute die Blickspanne die Fähigkeit, mehrere Zeichen oder Buchstaben auf einmal lesen zu können. Er hat zahlreiche Beispiele an Phänomenen und Kuriositäten der deutschen Sprache zusammengestellt. Er streifte auch das Thema Anglizismen – allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger wie Meister Lämpel („Max und Moritz“), sondern augenzwinkernd. Der Referent, der 15 Jahre lang im Auslandschuldienst in Brasilien gearbeitet hat, brachte einige Beispiele für Begriffe, die man allgemein verständlicher ausdrücken könnte, wenn man dafür einen nicht aus dem Englischen abgeleiteten Ausdruck wählen würde: „Call Center“, „Event“, „Round-Table-Gespräch“, „Time-out-Projekte“.
Allerdings sind auch deutsche Wörter oft auf lustige Art in die Sprachen anderer Länder eingeflossen, wie Wild von seinen Auslandsaufenthalten schildern konnte. So bezeichnet man in Polen einen Langweiler als „Szlafmyca“ (klingt sehr nach „Schlafmütze“) und in Frankreich sagt man für Guckfenster „vasistas“. In dem Vortrag wurde erläutert, wie es dazu kam: Soldaten Napoleons bemerkten bei ihrem Einzug ins Nachbarland, dass die Deutschen durch kleine Fenster guckten und dauernd riefen: „Was ist das?“, womit die Deutschen wohl den Lärm der Soldaten meinten.
Verblüfft erfuhren die Zuhörer, welche Wortungeheuer sich im Laufe der Jahrhunderte in der deutschen Sprache breit gemacht haben wie „Viertopfzerknalltreibling“. Dabei handelte es sich um nichts weiter als den Motor, den sich Nicolaus August Otto 1876 als Motor patentieren ließ. Der auf deutsche Sprache und Literatur spezialisierte Referent, der Lehrer im Studienseminar Wetzlar ausbildete, zeigte auf, was die irrtümliche Änderung eines Buchstabens anrichten könnte. Dann stünde in einem Liebesbrief statt „Liebste Sophia, ich habe dich ungeheuer lieb“ dann „… ich habe dich Ungeheuer lieb.“
Der mit langem Applaus bedachte Vortrag endete versöhnlich. Edmund Wild resümierte: „Die scheinbare Willkür in unserer Grammatik hat eine einfache Erklärung: Die deutsche Sprache ist nicht am Reißbrett entstanden, sondern historisch gewachsen. Sie ist lebendig und steht nicht still. Das macht sie so abwechslungsreich und liebenswert.“