Mit der Enduro auf den Berg

Disco-Türsteher halten uns nicht auf

Nissens Woche – die erste

Klaus

In diesem Jahr ändert sich das Vorzeichen. Schon 2014 habe ich so manchen sechzigsten Geburtstag mitfeiern müssen. Jetzt ist der Jahrgang 1955 fällig.

Nun ja, wir haben uns nicht schlecht gehalten. Uwe geht morgens gegen sechs ins Fitness-Studio und danach zur Arbeit. Er behauptet, dass er das regelrecht vermisse, wenn er mal ein paar Tage weg ist.

Mit der Enduro auf den Berg

Silvester-Kind Olof ist eigens von San Francisco nach Berlin geflogen, um da zu feiern. Ich war eingeladen, hatte aber eine ältere Einladung nach Heddernheim. Da tanzten fitte Siebziger im Kellergewölbe. Die Party ist noch nicht vorbei. Heutzutage gehen die Leute erst mit 88 ins Altersheim, erklärte mir der Direktor des Rind`schen Bürgerstifts in Bad Homburg.

Dass wir eine taffe Generation sind, kommt nicht von ungefähr. Die Eltern schleppten uns schon anno 1962 auf Hardcore-Wäldchestage mit. Ein Entkommen war nicht möglich.

Dass wir eine taffe Generation sind, kommt nicht von ungefähr. Die Eltern schleppten uns schon anno 1960 auf Hardcore-Wäldchestage mit. Ein Entkommen war nicht möglich.

Also stürzen wir uns weiter ins volle Leben, auch wenn das jungen Leuten auf die Nerven geht. Die Türsteher vor der Disco haben meistens Hemmungen, unsereins abzuweisen. Da stehen wir dann in der Garderobe, und während wir uns des Mantels entledigen, kommen zwei Feier-Mäuschen aus der Toilette. Sie verdrehen die Augen, und eine stöhnt: „Jetzt kommen die schon zum Sterben hierher!“ Ich kann darüber nur lachen. Aus Rache belästigen wir das Jungvolk in der Chill-Lounge mit Anekdoten aus dem eigenen Leben, bis es sich unter irgendeinem Vorwand davonschleicht. Junge Leute trauen sich nur selten, uns das Wort abzuschneiden.

Struwwelpeter 1962 in Friedberg 001

Die Grenzen des Erlaubten waren für uns knallhart markiert:  Mit dem Tode oder der Amputation von Gliedmaßen bestrafte man uns für das  Fingernägel-Wachsenlassen, das Anbeten von Brezeln, das Stühle-Werfen und das Daumenlutschen.  Ein gewisser Heinrich Hoffmann hatte diese Erziehungsregeln schon im 19. Jahrhundert formuliert.

Die Grenzen des Erlaubten waren für uns knallhart markiert: Mit dem Tode oder der Amputation von Gliedmaßen bestrafte man uns für das Fingernägel-Wachsenlassen, das Anbeten von Brezeln, das Stühle-Werfen und das Daumenlutschen. Ein gewisser Heinrich Hoffmann hatte diese Erziehungsregeln schon im 19. Jahrhundert formuliert.

Gut ist schließlich, dass wir uns über die Jahre gewisse Erfahrungen und Geldreserven erarbeitet haben. Die Erfahrungen können wir dann in den Wind schlagen und die Geldreserven verpulvern. Ich überlege beispielsweise, ob ich bei Reiner Linden eine Offroad-Tour in Kroation buche. Auch wenn es eine ökologische Sünde ist, mit Enduros durch Bäche, über matschige Wiesen und schlüpfrige Geröllhänge auf zweitausend Meter hohe Berge zu heizen. Man kann Adrenalin ausschwitzen, stürzen, wieder aufstehen und zum Schluss im Regen Würstchen grillen. Klingt richtig gut und kostet keine achthundert Euro pro Woche – inklusive Ausrüstung. Mario und Sven haben mir bei der Silvesterfete im Keller mit leuchtenden Augen davon erzählt. Er habe bei der Tour einen Bänderriss am Knie erlitten, erzählte Mario stolz. Und Sven sein Sprunggelenk lädiert. Okay, die Jungs sind beide mindestens zwanzig Jahre jünger als ich und fast eins neunzig groß. Trotzdem hätte ich Lust aufs Offroad-Training. Irgendwann fahre ich mit der Enduro durch Island! Und schon diesen Sommer werde ich mit Traugott weiter den Alpenbogen abwandern. Über Grate! Mit Zeltausrüstung!

Ich muss jetzt Schluss machen. Die Liebste hat mir einen Pfefferminztee gebracht und als Gegenleistung ultimativ gefordert, ich müsse endlich und heute noch Bezugsquellen für eine neue Waschmaschine recherchieren. Bei der alten Bosch Wok 2430 ist das Lager derart verschlissen, dass man ihr Rumpeln noch im Nachbarhaus hört. Außerdem steht ein Besuch im Thermalbad an. Das tue meiner seit Wochen verspannten Schulter gut, behauptet die Liebste. Ich mach`s nur widerstrebend. Man könnte mich mit den vielen alten Leuten da drin verwechseln.

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